Ulm, 26. September 2014 – Fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland ist regelmäßig von Lohnfortzahlungsbetrug betroffen. Die Hemmschwelle unter den Arbeitnehmern, sich eine bezahlte „Auszeit“ auf Krankenschein zu gönnen, sinkt stetig. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet dies Schäden in Milliardenhöhe. Oft genug stehen die Unternehmer dem Problem hilflos gegenüber.
Eine Statistik, die von einem Börsenportal in Auftrag gegeben wurde, ergab: 2,9 Prozent der Arbeitnehmer, also rund jeder dreißigste, plant konkret, in den Herbst- und Wintermonaten blauzumachen. Bei vielen liegt dies schlichtweg daran, weil es dann dank der typischen Erkältungszeit weniger auffällt. Auch die Quote derer, die sich ungerechtfertigt krankschreiben lassen, um dem Arbeitgeber gezielt einen Schaden zuzufügen oder dem Abteilungsleiter eins „auszuwischen“, steigt kontinuierlich.
Dass Arbeitnehmer blaumachen, lässt sich an verschiedenen Anzeichen erkennen. Fehlt ein bestimmter Mitarbeiter beispielsweise wiederholt an Montagen, Freitagen oder auch an Brückentagen, ist dies oft ein deutliches Signal dafür, dass hier etwas nicht stimmt. Auch wenn regelmäßige Kurzzeiterkrankungen von nur zwei oder drei Tagen Dauer auftreten, sollten Arbeitgeber hellhörig werden. Werden Arbeitnehmer zufällig zu dem Zeitpunkt krank, zu dem sie eigentlich ihren nicht genehmigten Urlaub antreten wollten, oder wird durch eine Krankheit der Jahresurlaub „verlängert“, ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Bei vielen Arbeitnehmern lohnt sich zudem der Blick auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Typische Blaumacher wechseln für gewöhnlich regelmäßig den Arzt, damit die häufigen Krankschreibungen den Hausarzt nicht misstrauisch machen. Ein ständiger Wechsel ist besonders dann auffällig, wenn es sich stets um wechselnde Allgemeinärzte handelt, jedoch nie ein Facharzt aufgesucht wird.
Für das Recht auf Lohnfortzahlung haben die Deutschen einst hart gekämpft. Monatelange Streiks führten schließlich zur ersten ernstzunehmenden gesetzlichen Regelung ab 1957. Seit 1970 gibt es Lohnfortzahlung, wie wir sie heute kennen: 100 Prozent Lohnfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag für die Dauer von bis zu sechs Wochen. Kein anderes Land in Europa hat eine ähnlich weitreichende Regelung getroffen. Dieser Umstand wird von vielen Arbeitnehmern ausgenutzt. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass viele Arbeitgeber es ihren Mitarbeitern leicht machen: Sie verlangen die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst ab dem vierten Krankheitstag und fördern somit angebliche Kurzzeiterkrankungen von bis zu drei Tagen.
Ein Lohnfortzahlungsbetrug liegt immer dann vor, wenn ein Arbeitnehmer die Lohnfortzahlung seines Arbeitgebers kassiert, ohne einen Anspruch darauf zu haben. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer überhaupt nicht krank ist. Aber auch wenn der Arbeitnehmer zu Recht krankgeschrieben ist und nicht alles unterlässt, was die zeitnahe Gesundung verzögern oder behindern könnte, kann dies das Vorliegen eines Lohnfortzahlungsbetrugs bedingen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Mitarbeiter wegen hohen Fiebers bettlägerig krankgeschrieben ist und dann aber beim Einkauf im Supermarkt oder abends in der Diskothek gesehen wird. Ganz klar ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer seine vermeintliche Arbeitsunfähigkeit nutzt, um bei einem anderen Arbeitgeber oder sogar schwarz zu arbeiten.
Bei einem Lohnfortzahlungsbetrug handelt es sich um ein normales Betrugsdelikt und somit um eine Straftat. Stellt der betroffene Arbeitgeber einen Strafantrag, so kommt auf den blaumachenden Mitarbeiter unter Umständen eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe zu. Aber auch wenn betroffene Arbeitgeber diesen Weg nicht gehen möchten, können sie dennoch rechtliche Schritte ergreifen. Können sie den Lohnfortzahlungsbetrug nachweisen, beispielsweise durch die lückenlose Aufdeckung des Falls und die Beibringung von Beweisen durch eine Detektei, rückt eine fristlose Kündigung, die auch vor dem Arbeitsgericht standhält, in greifbare Nähe.